Innovationsstandort Thurgau: ein Traum oder bald Realität?

Der Thurgau gilt nicht als Hochburg für Innovation. Zu Unrecht, wenn man Produkte und Entwicklungen von Thurgauer Unternehmen betrachtet. Jedoch braucht es in den kommenden Jahren einen merkbaren Schub nach vorne, um den Anschluss nicht zu verlieren und das Image von Mostindien zu einem spannenden Standort zu ändern, der smarte Köpfe anzuziehen vermag.

 

Von Jérôme Müggler, Direktor IHK Thurgau

Unlängst wurde in der Thurgauer Zeitung die Diskussion darüber angestossen, ob sich der Kanton Thurgau gegen aussen schlecht verkaufe und welche Symbolik dem Apfel für das Ländliche zwischen Hörnli und Bodensee zukomme. Die Geschichte des ehemaligen Untertanengebiets, das Fehlen eines urbanen Zentrums und das Selbstverständnis von gewissen Teilen der Bevölkerung kann man in diesem Zusammenhang diskutieren. Es ist gut und wichtig, dass wir im Thurgau beginnen, uns damit auseinandersetzen, für was wir stehen wollen, für was der Kanton bekannt sein soll, was wir zu bieten haben und wie man das Ganze an die Restschweiz kommunizieren möchte. Genauso wie sich das mutmassliche Apfel- oder Landwirtschaftsimage über Jahre entwickelt hat, wird eine Imagekorrektur oder eine Ergänzung des Bilds seine Zeit und den Effort einer koordinierten, strategisch ausgerichteten Kampagne benötigen.

Fachkräftemangel und Abwanderung von Jungen

Für die Industrie- und Handelskammer Thurgau ist die Entwicklung des Wohn- und Arbeitsorts Thurgau ein Schlüsselthema. Mit der Zukunftsagenda geben wir uns zusammen mit der IHK St.Gallen-Appenzell einen Ziel- und Orientierungsrahmen für die Entwicklung der Kernregion Ostschweiz vor, in welcher der Thurgau eine zentrale Rolle spielt. Verschiedene Zielkorridore helfen den Fokus auf relevante Entwicklungen zu legen. Dazu gehören die Stärkung eines innovationsfreundlichen Umfelds sowie die Förderung digitaler Kompetenzen. Beide sind unerlässlich, wenn es um die Weiterentwicklung einer Region und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit geht. Obwohl der Thurgau von Jahr zu Jahr mehr Einwohner hat, zeichnet ihn im gleichen ein überdurchschnittlicher hoher Mangel an Fachkräften sowie die Abwanderung von jungen Menschen aus. Folglich arbeiten Thurgauerinnen und Thurgauer sowie Zuzüger immer mehr ausserhalb der Kantonsgrenzen.

Wettbewerbsfaktoren verändern sich

Wörtlich übersetzt bedeutet Innovation „Neuerung“ oder „Veränderung“. Doch allein durch eine solche Übersetzung erklärt sich nicht, was mit dem Begriff Innovation überhaupt gemeint ist. Innovation ist ein Vorgang, welcher durch Anwendung neuer Verfahren, der Einführung neuer Technologien oder der Etablierung erfolgreicher Ideen einen Bereich, ein Produkt oder eine Dienstleistung erneuert und auf den neuesten Stand bringt. Die Wettbewerbsfaktoren von Unternehmen befinden sich seit einiger Zeit im Umbruch. Liessen sich Wettbewerbsvorteile früher vor allem auf Faktoren wie Kosten und Qualität zurückführen, ist es heute und in Zukunft zusätzlich die Innovationfähigkeit.  Unabhängig davon, ob sich die Wirtschaftslage gerade in einem Aufschwung oder einer Rezession befindet. Entsprechend gehören die Begriffe Innovation und Kreativität zu den häufig verwendeten Begriffen in Geschäftsleitungen.

Im letzten Viertel der Tabelle

Der kantonale Wettwerbsindikator der UBS misst als eines von acht Feldern, das Innovationspotential eines Kantons. Gemäss UBS beruhen unternehmerischer Fortschritt und der Erhalt wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit auf Innovation. Branchencluster (hohe regionale Konzentrationen von Beschäftigten in voneinander abhängigen Branchen), die Anzahl Patentanmeldungen und die Höhe der Venture-Capital-Investitionen zeigen das Potenzial für zukünftige Wettbewerbsvorteile, die aus Innovationen erwachsen. Weitere Indikatoren sind gemäss UBS der Anteil der in Forschung und Entwicklung tätigen Personen, die Anzahl erfolgreicher Startups, Unternehmensgründungen oder die in diesen Unternehmen neu geschaffenen Stellen. Dem Thurgau attestiert die UBS zurzeit kein allzu grosses Innovationspotential. Gerade mal auf Platz 20 schafft es unser Kanton in der Publikation in diesem Bereich. Daneben ist zu erwähnen, dass der Thurgau in anderen Bereichen wie Staatsfinanzen oder Kostenumfeld überdurchschnittlich gut abschneidet.

Technologieforum unterstützt Unternehmer

Verschiedene Initiativen zielen auf die Innovationsförderung ab und Institutionen im und um den Thurgau können einen Startpunkt für Innovation bieten. Das Thurgauer Technologieforum bietet an Informationsanlässen oder Innovationcoachings interessierten Unternehmerinnen und Unternehmern die Möglichkeit, tiefer in die Materie einzutauchen. An den Veranstaltungen lernen Interessierte innovative Denkansätze und ungewohnte, teils äusserst erfrischende theoretische Modelle kennen. Sehr konkret behandelt das Innovationsforum Ernährungswirtschaft, das am 3. Dezember zum zweiten Mal stattfinden wird, den Themenkreis. Das Forum ist eine Tagung im Bereich Agri-Food zur Förderung des Wissens- und Technologietransfers in Tänikon zugunsten der ganzen Wertschöpfungskette von Lebensmitteln. Es ist dazu erfreulich, dass Agroscope im Thurgau die Forschung im Bereich Smart Farming ausbaut. Smart-Farming-Technologien bieten breite Möglichkeiten der Datenerfassung und -verarbeitung – für sämtliche Produktionsressourcen sowie entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

St.Galler Initiative mit Thurgauer Beteiligung

Im September konnte in St.Gallen der Innovationspark Ost gegründet werden. Zu den 21 Gründungsaktionären gehören der Kanton Thurgau sowie unsere Industrie- und Handelskammer, die mit Dr. Beat Hirt auch den Thurgauer Vertreter im Verwaltungsrat stellt. Der Innovationspark Ost nimmt die Kernkompetenzen der Ostschweizer Wirtschaft und Hochschulen auf. Er fokussiert auf die Innovationsschwerpunkte Gesundheit, Digitalisierung von Geschäftsmodellen sowie Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Auf Forschungsseite sind im Themenbereich "Gesundheits- und Medizintechnik" die Empa St.Gallen und das Kantonsspital St.Gallen eingebunden. Im Bereich "MEM-Industrie" wird die Forschungsleistung von der Ostschweizer Fachhochschule sowie von der Forschungsanstalt RhySearch in Buchs mit eingebracht. Die Universität St.Gallen steuert dabei ihre wissenschaftliche Kompetenz bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen, Prozesse und Geschäftsmodelle bei.

Innovationsförderung mit eigenen Stärken

Gerade weil es dem Thurgau finanziell so gut geht, tut er gut daran, ideale Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Innovationspotential von Unternehmen oder kreativen Köpfen unterstützen oder aktivieren können. Es ist deshalb notwendig, dass der Kanton eine eigene Institution erhält, welche die Fähigkeit, Neues zu schaffen und dies zu vermarkten, aktiv fördert. Der «Digital & Innovation Campus Thurgau», der 2018 von der IHK angestossen und über die vergangenen 18 Monate konkretisiert wurde, soll für den Kanton und seine Unternehmen ein solcher Leuchtturm werden. Mit einer direkten Verbindungen zur Universität Konstanz sowie zur Konstanzer Fachhochschule HTWG kann erstklassiges akademisches Wissen und angewandte Forschung in den Thurgau importiert werden. Am gleichen Ort wird ein Innovationslabor die Anlaufstelle für neue Ideen und Startups werden. Der Thurgauer Campus hat neben den erwähnten Initiativen beste Voraussetzungen, um sich in einem wachsenden Netzwerk zu etablieren und mit eigenen Schwerpunkten zu überzeugen. Das im Campus beheimatete «Thurgauer Institut für Digitale Transformation» soll unter Berücksichtigung der Beziehung zwischen Mensch und Technologie, das Vertrauen im Umgang mit Künstlicher Intelligenz oder Big Data fördern. Beides sind Themen, welche für Industrie und Gewerbe, in den kommenden Jahren sehr relevant sein werden.

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